LM Masters in Schneverdingen | 4. Mai 2024

* DIE WAHRHEIT UND NICHTS ALS DIE WAHRHEIT

Schneverdingen in der norddeutschen Heide ….. 4.5.2024 …… Niedersächsische Landesmasters …. der Tag der Entscheidung …… mehr als zweihundert Schwimmerinnen und Schwimmer stehen in der Morgensonne vor dem kleinen Bad „Heidjers Wohl“.

Ja, da stehen sie nun und warten. Warten darauf, dass man sie endlich rein lässt. Die Spannung steigt. Also genau genommen steigt bei den einen die Spannung und bei denen, die drei Stunden mit dem Auto angereist sind, bei denen steigt der Wasserstand in der Blase.

Egal, es sind viele, die da von einem Bein aufs andere treten.

Es ist neun Uhr, die Türen gehen auf. Alles strömt hinein. Die einen rennen, um einen guten Platz für sich und ihre Mannschaft zu ergattern, die anderen rennen um einen vorderen Platz in der Schlange vor der Toilette zu bekommen. So hat halt jeder seine Prioritäten im Leben.

Es ist klein, das Bad. Das wurde schon in einer eigenen Mitteilung im Vorfeld thematisiert. Schwimmbecken, Sprungbecken, zwei Kinderbecken, alles auf engstem Raum. Also wenn hier die paar Leute aus der Heide kommen, ihre Schafe auf dem Parkplatz gegenüber anbinden, und dann ins Bad gehen wird das reichen. Heute sind es aber über 200 Teilnehmer plus geschätzte 50 Offizielle, Kampfrichter, Helfer etc, die sich gegenseitig auf die Füße treten. Der Hallensprecher hat nun schon zum zweiten Mal gebeten doch keine Campingstühle in den Toiletten aufzustellen. Zwischen dem Sprungturm und dem Ein-Meter-Brett seien noch 1,5 x 4 m Platz. Da bekommt man doch mit etwas gutem Willen locker 12 Personen unter. Und nein, bevor noch jemand fragt, das Wasser im Planschbecken wird auch nicht abgelassen um da noch 20 qm zusätzlich zu gewinnen.

Es ist alles etwas wuselig. Wir waren schnell drin und haben uns auf der anderen Seite des Ein-Meter-Bretts breit gemacht. Wobei wir mit gerade mal 6 Personen ja gar nicht so breit sind. Wir, also das Team MTV Goslar, waren:

  • Kirsten R., die so aufgeregt ist, das reicht für eine ganze Mädchenklasse einer katholischen Internatsschule vor der Kommunion. Ist aber doch schön so. Wer nicht ein bisschen nervös ist, der sollte vielleicht nicht an einem Wettkampf teilnehmen
  • Heike P., gibt sich nach außen sehr ruhig und hält sich gern im Hintergrund. Aber ich bin sicher in ihr brodelt ein Vulkan. Sie ist zwar die Kleinste im Team, aber nicht die Langsamste
  • Margot H., die Unverwüstliche. Die Frau deren Beinarbeit einem Schnellboot zu Ehre und Tempo reichen würde. Egal welche Strecke, Margot schwimmt alle 50er Zwischenzeiten gleich schnell. Ein Muster an Konstanz.
  • Eraldo D., unsere mediterrane Verstärkung aus Albanien. Nein, er ist nicht unser Quotenmitglied aus einem EU-Anwärterland. Wir mögen ihn wirklich. Und er ist richtig schnell.
  • Thorsten K., auch bekannt als der Schleifer vom Nordharz. Wären nicht sowieso alle im Wasser und nass, er würde schon immer dafür sorgen, dass nach dem Training alle schweißnass sind. Bei ihm wird nicht gebummelt.
  • Torsten B., der Neuling mit dem weißen Bart. Ist früher wohl mal irgendwo im Verein geschwommen und will es jetzt mit über 60 nochmal wissen. Gibt den anderen meist das schöne Gefühl nicht der oder die Langsamste zu sein.

Kaum haben sich alle einigermaßen eingerichtet geht es auch schon los mit dem Einschwimmen. Problem: Wenn sich 230 Teilnehmer in ein 25m-Becken mit nur 5 Bahnen werfen, sieht das aus wie ein Wettschwimmen in einer Sardinendose. Als Spitze wurde glaube ich 25 Schwimmer auf einer Bahn gezählt. Es war wie auf Malle am Strand in der Hochsaison. Man wusste gar nicht mehr wo man hin sollte. Alles überfüllt.

Und jetzt auch mal was ganz, ganz positives: Der Hallensprecher war sogar meist gut zu verstehen. Das war mir neu. Das hatte ich so noch nicht erlebt. Kompliment!

Nach dem Einschwimmen entbrennt unter den Herren des Teams eine Diskussion über die Qualität des Wassers. Thorsten K. meint dieses Wasser hier sei langsam. Das Wasser zuhause in Goslar viel schneller. Torsten B. erklärt ihm daraufhin mit todernster Miene, das liege daran in Goslar steht das Bad an einem Hang und die Bahnen seinen deshalb vielleicht ein wenig geneigt und man/frau schwimme daher immer etwas bergab. Hier in der Heide ist alles flach, da ist es eben eben. Also nix mit bergab schwimmen. Eraldo D. hat sich das auch angehört und fragt dann ob man dann in Goslar nicht auf dem Rückweg wieder bergauf schwimmen würde. Torsten B. hat auch darauf eine spontane Antwort und erzählt was von einer Euphorie aus der Bergabphase, die man dann auf dem Rückweg mitnehme, das mit dem bergauf schwimmen also gar nicht so mitbekommt. Außerdem gäbe es da schwierig zu beschreibende physikalische Welleneffekte, die den Wasserspiegel in Goslar nach der Wende so verändern, dass man auch bergauf mindestens eben, wenn nicht sogar wieder bergab schwimmt. Also quasi bergab bergauf.

Ich weiß ja nicht, was der morgens nimmt, der Torsten B., aber das will ich auch haben.

Er war auch der erste, der an den Start musste. Also wollte. Hat sich ja dafür gemeldet. Im ersten Wettkampf an den Start zu gehen ist immer irgendwie was Besonderes. Hat sich dann auch einigermaßen geschlagen, ist knapp unter seiner Meldezeit geblieben und hatte dann sogar noch den Dusel als einziger in seiner AK gemeldet zu sein. Er sagt selbst: Schwache Zeit aber einen Landesmeistertitel geschenkt bekommen. So kann das weiter gehen.

Danach ging es dann wie am Schnürchen. Während der eine Lauf gerade von den Startblöcken weg war, wurde der nächste aufgerufen. Das ging  alles zack, zack. Wie bei der Essensausgabe in der Kantine. „Was hättense gerne?“ „100m Rücken, aber ohne Soße“ „Hier bitte, der Nächste“ „50 m Brust, aber mit Kroketten statt Kartoffeln“ „Hier bitte, die Nächste“ …….. zack, zack. Da war richtig Tempo drin.

Irgendwie wurde es dann auch ein bisschen stressig. Die eigenen Starts im Auge haben (war das jetzt Lauf 3 Bahn 4 oder Lauf 4 Bahn 3 ????) ….. nach vorn ans Becken gehen die andern anfeuern (ist das Kirsten auf Bahn 2? Nee, die kommt erst im übernächsten Lauf. Aber die hatte doch vorhin auch einen Badeanzug in der Farbe …) …… zwischendrin immer wieder aufs Klo, Angstpipi wegbringen ….. man, knurrt mir der Magen. Hatte morgens nur wenig gegessen um den Kreislauf beim Wettkampf nicht zu überlasten. Ess ich noch schnell einen Molkeriegel? Aber im nächsten Wettkampf bin ich dran …… Zwischendrin aufbrandende Panik: Ich hab meinen Start verpennt !!! Das läuft gerade Lauf 3 100 m Kraul …. Nee, ganz ruhig, dass sind immer noch 400 m. Zwischen 400 m und 100 m kommt ja noch 50 Schmetterling. Uff, Entspannung, Herzinfarkt verschoben ….. Dann machen die anderen immer Fotos und Videos und verteilen die. Ich habe aber in unserer Ecke neben dem 1 m-Brett keinen Empfang. Also immer quer durch die Halle gequetscht auf die Raucherterrasse, da habe ich Netz ….

Also zu sechst ging das ja noch so. Ich stelle mir vor, dass wir mit 20 Teilnehmern dabei sind. Wie soll man das überleben? Das ist doch Stress pur. Da kann doch keiner vernünftige Zeiten schwimmen.

So langsam tickerten dann auch die ersten Protokolle aus der Protokollloge. Wo die aufgehängt (angeklebt) wurden, das fanden wir schnell. Interessant war das Finden und Verstehen. Jeder in Deutschland beschulte Mensch hängt Protokolle von links nach rechts auf. In Schneverdingen hängt man aber Protokolle von rechts nach links auf. Und nicht nur nebeneinander, sondern auch übereinander. Wie so ein Suchspiel im Kindergarten und in der Grundschule. Interessant, aber hier nervig. Ich weiß nicht warum das in der Heide so ist. Weiß das jemand von euch?

Na ja, wir fanden unsere Ergebnisse trotzdem und freuten uns alsbald über diverse erste, zweite und dritte Plätze. Und wenn es dazu nicht reichte, dann zumindest über die eine oder andere neue Bestzeit. Man will ja auch was mitnehmen, wenn man sich schon die Mühe macht das ganze Jahr zu trainieren und hier anzureisen.

Ohne jetzt ins Detail zu gehen (das macht Alexandra wieder im offiziellen Bericht): Also alle unsere Medaillen passten am Ende nicht in eine Badekappe. Auch nicht in zwei. Ich denke drei Kappen waren schon nötig. Dabei man sagen muss: Denen sind die Medaillen wieder ausgegangen. Die hatten also zu wenige bestellt. Und das soll schon im letzten Jahr so gewesen sein. Peinlich, peinlich. Man kann das Sparen auch übertreiben. Na, ja, Hauptsache jeder von uns hat was abbekommen.

Wegen der über 700 Startmeldungen zog sich der Nachmittag dann auch länger hin. Die letzten Starts waren für kurz vor 18 Uhr angesetzt. Aber wer nicht bei den Staffeln dabei war und einen längeren Heimweg hatte, der fing dann schon ab halb fünf an abzudüsen.

Und während sich noch alle über ihre Platzierungen und Medaillen freuten hatte Torsten B. DAS Erlebnis des Tages. Nach seinem letzten Lauf ist er mit Trainingshose in der Hand zum Duschen. Trainingshose in der Sammelumkleide auf eine Bank gelegt. Duschen gegangen. Nach dem Duschen zurück in die Sammelumkleide. Hose weg. Gesucht, gefragt, Hose bleibt weg. Beim Hallensprecher nachgefragt, vorn im Cafe im Eingangsbereich nachgefragt, beim Kampfgericht nachgefragt, sogar eine Durchsage vom Hallensprecher machen lassen, Hose bleibt weg. Da in der Tasche der Trainingshose auch die Unterhose steckte, war das dann mit der Heimfahrt so ein Ding.  Nun wissen wir alle: Wer den Schaden hat, der spottet jeder Beschreibung. Oder so ähnlich. Jedenfalls wurde dann im Team sofort diskutiert was denn passieren würde wenn er auf dem Heimweg ohne Hose in eine Verkehrskontrolle käme. War recht lustig, die Diskussion. Am Ende hatte Eraldo D. dann die rettende Idee. Er hatte noch eine kurze Hose dabei, die er dann freundlicherweise ausgeliehen hat.

So hatte dann auch dieses Problem ein gutes oder zumindest akzeptables Ende.

Und nächstes Jahr, nächstes Jahr räumen wir dann ganz ab. Mit doppelt so vielen Teilnehmern. Das haben wir uns ganz fest vorgenommen. Wir haben ja seit kurzem einige recht junge Masters dabei. Die müssen auch mal mit.

Und die Gummiente! Die Gummiente von Heike, die werden wir auch zum Start melden. Heike nimmt die immer als Talisman mit und mir hat die Gummiente gesagt sie will auch mitschwimmen, weil diejenigen, die da mit Heike in einem Lauf schwammen, die sind so lahm, das kann sie auch. Und die Gummiente will eben zusammen mit ihrer Mama schwimmen.

Das war es dann. Die ganze Wahrheit über diese Landesmeisterschaft. 

Bericht von Torsten Baier